„Schatz, das ist so einfach. Es ist ein geniales Rezept: Du brauchst kaum Zutaten, es ist superschnell gekocht und es schmeckt voll lecker.“
Wir Blogger haben schon ein stressiges Online-Leben. Ich rede rein vom Internet, nicht vom Leben 1.0. Das reale Leben kann sich ja jeder gestalten, wie er mag. Da ist man ja selbst schuld am Stress, den man im Leben hat. In der Onlinewelt sind wir jedoch an bestimmte Verhaltensmuster gebunden. Sonst läuft die Kiste einfach nicht, bei uns Bloggern, die wir zum Erfolg verdammt sind.
„Was hast Du denn für einen Stress? Du köchelst ein bißchen vor Dich hin, schreibst ein paar Sätze, knipst zwei bis drei mittelmäßige Foodbilderle und gut is.“
So einfach ist das ja auch wieder nicht.
Hot or Not ?
Es beginnt damit, dass wir uns jede Woche überlegen, was wir in den kommenden Tagen auf den Blog stellen. Welche Rezepte passen zur Jahreszeit, was sind die derzeitig regionalen Gemüsesorten, die nicht nur wachsen und überall verfügbar sind – nein, es geht auch darum, zu schauen, welche Gemüsesorten grad hypen. Was ist IN? Was ist OUT? Wir entscheiden über das HOT OR NOT im Einkaufswagen unserer Leser. Das will wohl überlegt sein. Wir könnten die Karriere eines Gemüses platzen lassen. Wir tragen als Food-Influencer eine gewisse Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Gemüse-Stengelchen, jeder Fisch-Schuppe und jeder Muskelfaser eines Filets.
Marktbeobachtung als Blogger
Ein erfolgreicher Blogger kann ausserdem nicht wie ein Einsiedlerkrebs auf den ausgelatschten Wegen der anderen den Berg hinauf steigen. Da bekommt er höchsten Blasen am Quatratlatschen, aber keine goldene Wandernadel vom schwäbischen Alp-Blogger-Vereins.
Ich sollte also mal links und rechts neben meinen Wanderweg, auf dem ich mich vorwärts bewege, schauen. Was machen die anderen themenverwandten Blogger? Was bloggen die „Wegbegleiter“ so? Wie ist deren Bildsprache? Wer verfällt in die ach so angesagte dunkle Bildsprache, versteht die Technik seiner Kamera aber nicht und produziert statt schöner dunkler Stillleben nur unterbelichteten Bockmist?
Zumindest habe ich als aufmerksamer Typ die für mich die relevanten Blogs über Reader wie Bloglovin im Auge. Big Kochheld ist watching you ;-)
Sind Foodblogger Trendsetter und Influencer oder nur überbewertet?
Als Blogger spuken viele Gedanken durch den Kopf. Synapsen verknüpfen sich, Gedanken sprühen und schlagen in meiner kleinen Möhre Funken. Wir sind angeblich das kreative Zentrum der Foodszene. Ich sehe das alles etwas nüchterner. Natürlich bin ich immer auf der Suche nach dem nächsten Foodtrend, was könnte als Nächstes angesagt sein? Was könnte abgehen wie ein Zäpfchen? Was beschert mir Traffic auf der Seite?
Man entwickelt ein Gespür für die Trends und hört schon sehr früh bestimmte Glocken läuten. Dennoch ist es so, dass ich einfach nur ein normaler Typ bin, der gerne kocht und oberstes Gebot ist: Es muss mir schmecken. Bums aus. Nur weil ein bestimmtes „Superfood“ die letzten hundert Jahre eher in den Müll gesegelt ist und nun plötzlich gerade voll im Trend liegt, mir aber schlecht davon wird, wenn ich den Kram esse, dann kann ich es nicht verbloggen. Dann segelt es wieder dorthin, wo es hin gehört: In den Müll und ich schere mich einen Dreck um den „Trend“.
Sind wir mal ehrlich. Oft haben wir ein Gespür für Trends im Lebensmittelsektor, aber oft genug knallt es auf der Seite einfach auch nur aus Zufall heraus. Gerichte, bei denen man nie gedacht hätte, dass sie abgehen, entwickeln sich zu einem Senkrechtstarter. Rezepte, die einem fast peinlich sind aufgrund der Einfachheit, bei denen man sich schier nicht getraut die “Publish”-Taste zu drücken, sind oft genug die Renner auf der Website.
Vielleicht denken wir alle nur zu viel und handeln nicht intuitiv genug. Was tue ich am Herd? Ich arbeite intuitiv. Ich weiß, welche Lebensmittel und welche Gewürze miteinander Tango tanzen können und wo eine Kombination eine Katastrophe bedeutet. Alles andere macht die Erfahrung beim Kochen…Würzen, Abschmecken…was starte ich wann, damit alles am Ende gemeinsam fertig ist. Einfach nur Erfahrung und Intuition.
Wann habe ich aufgehört so zu bloggen, wie ich koche?
Was hab ich mit SEO am Hut?
Man kann auch aus Suchmaschinenoptimierungssicht (Wäre ein Topwort fürs „Glücksrad“) an den Gerichtsaufbau herangehen. Welches Gericht oder welches Basic fehlt im Bereich meines Blogs? Was sind die relevanten Keywords, die die Leser in die Suchmaschinen tackern? Welchen SEO-optimierten Text muss ich schreiben, damit Google meine Homepage mag? Wie erreiche ich einen Google-Platz EINS mit einem Gericht.
Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, Texte einfach so zu schreiben. Jeder meiner Texte ist gespickt mit Keywords und darauf ausgelegt auf der ersten Seite bei Google zu landen. Natürlich versuche ich den Text möglich fresh und locker zu schreiben.
Guten Inhalt zu produzieren ist die oberste Devise, aber dennoch habe ich eine imaginäre Keywordliste zu jedem Essen neben mir, an der ich entlang klettere, während meine Finger über die Tastatur klimpern. Nur so schiebe ich den Blog in die für Google relevanten Schienen und erzeuge einen positiven Effekt für Firmen, die bei mir einen Beitrag buchen.
An dieser Stelle kommen wir auch dazu, dass ich ganz klar sage „Ja, Reichweite ist wahnsinnig relevant für Firmen, aber doch nicht alles.“ Es ist durchaus möglich mit dem Wissen über SEO-relevante Aspekte und einem guten Artikel fast jeden Blog, der mehr Traffic hat, im Google-Ranking zu schlagen.
The Worst Case
Kommen wir zu einem Worst Case Szenario im Blogger-Business. Es wäre nicht zum ersten Mal vorgekommen, dass Gerichte am selben Tag gepostet werden, die fast identisch sind und auf verschiedenen Blogs auftauchen.
Mir passiert das selbst bei Mel von Gourmet Guerilla, zwei wundervollen Foodblogs, die ich gerne lese und zwei tolle Menschen, die ich immer gerne treffe.
Ich habe mir ein regionales Gericht ausgedacht, wo ich mir sicher war, auch aufgrund von Internetrecherche, dass es dieses Gericht nicht im Netz gibt. Das bedeutet also, wenn jemand mit einem passenden Keywords danach sucht, wird mein Blog angezeigt und der Suchende wird nach einem Klick zu mir geleitet und ich kann den potenziellen Neu-Leser mit meiner Blogattraktiviät umgarnen und so bezirzen, dass er im Idealfall so angetan ist, dass er wieder „freiwillig“ zum Kochhelden.TV-Blog findet. Das ist das Spinnennetzprinzip. Schmeisst mir Google eine „Fliege“ ins Netz, gebe ich als Bloggerspinne alles, dass er bei mir bleibt. Ganz schön tierische Angelegenheit.
Also…Rezept gefunden oder ausgedacht, im Internet gecheckt…Ich war einkaufen, habe wirklich qualitativ hochwertigste Ware geholt, habe das Essen gekocht, es optimiert und nochmal gekocht, einen Text verfasst und Bilder gemacht. Alles ist fertig, Du programmierst Deinen Artikel zur Veröffentlichung am folgenden Tag und dann passiert es: Eine Stunde bevor Dein Beitrag online geht, flitzt das gleiche Essen auf einem anderen Blog durchs Internet und geht steil.
Ahhhh…fuck…nicht gut…was tun? Sitzt in der eigenen Wohnung ein Maulwurf, der die Rezeptideen weiter gibt? Ich schaue zu meiner Freundin. Sie sitzt unschuldig auf der Couch und streichelt die Katze. Einer von beiden muss geredet haben. Ich stelle beide Miezen, die mit vier und die mit zwei Beinen unter Verdacht und nehme mir vor, sie strenger zu beobachten. Ich denke darüber nach, einen Detektiv einzuschalten und zumindest Ernie, unseren 6,5 kg-Kater beschatten zu lassen.
Was mache ich nun aber mit meinem Beitrag? Nun, man könnte eine hasserfüllte Nachricht schreiben und den anderen Blogger auf mieseste Art und Weise beleidigen und sein Essen öffentlich herdissen und mit zig anderen Fake-Accounts die Fehler in der Zubereitung öffentlich anprangern. Besonders beliebt ist, auf Schwächen von Bloggern zu gehen: Rechtschreibung.
Die Lösungsfindung
Man könnte aber auch einfach ein Gläschen GinTonic trinken, tief durchschaufen, drüber lachen, die Artikelprogrammierung löschen und die Veröffentlichung um mehrere Wochen nach hinten schieben, den Herd anschalten und schauen, was man spontan kochen kann, um den Beitrag zu retten. That´s my way…
In den meisten Fällen, wenn so etwas passiert, haben die Einkaufsläden geschlossen und man muss sich auf den Inhalt seines Kühlschrankes und seine mehr oder weniger vorhandene Kreativität verlassen.
Plötzlich ist es so, dass all das, was ich man übers Bloggen weiß, völlig egal ist. Man sucht nicht mehr das Internet ab, ob das tolle Essen, was man zwei Wochen vorher im Kopf hatte, schon gebloggt wurde. Alles egal.
Es geht um Kreativität aus dem Augenblick heraus.
Man kombiniert Lebensmittel, die man eventuell noch nie kombiniert hat und versucht einen passenden Geschmack zu erzeugen.
Vergessen ist der ganze SEO-Quatsch. Es geht ums nackte Überleben. Die Familie muss mit Essen versorgt werden. Das sollte passieren, bevor sich das Weibchen einen stärkeren und schnelleren Jäger und Sammler sucht, der sie durch den harten schwäbischen Winter bringt.
Ich schnappe mir meine Keule im Eck unserer Höhle, lege nochmal etwas trockenes Holz ins Feuer und gehe grunzend auf die Jagd. Bekleidet mit einem Fell und der Keule und der Hand stehe ich vor dem Kühlschrank und lass mein Hirn rattern.
Vielleicht muss ich mich als Blogger und Neandertaler davon verabschieden, zu denken, dass ich immer das ausgefallenste Essen kochen muss.
Muss ich mich denn immer und immer wieder von anderen abheben, indem ich zeige, dass ich abgefahrenen Kram kochen kann?
Vielleicht ist das meinen Lesern zu schwer, es nach zu kochen? Vielleicht kann es einfacher gehen. Vielleicht muss es einfacher gehen? Vielleicht ist es gerade die Einfachheit des Essens, gepaart mit einem leicht zu erzeugenden geilen Geschmack, was einen Artikel und ein Essen erfolgreich machen könnte?
Ich schnappe mir die Champignons, etwas Grünzeug, was aussieht wie Petersilie, Schmand, Zwiebel und Knoblauch und schlürfe mit meiner erlegten Beute vom Kühlschrank an die Feuerstelle, schnall mir die Schürze um und los gehts: gefüllte Champignons.
Wenn also meine Freundin sagt: „Schatz, das ist so einfach. Es ist ein geniales Rezept: Du brauchst kaum Zutaten, es ist superschnell gekocht und es schmeckt voll lecker.“, dann muss da wohl was dran sein.
Ob da was dran ist, habe ich einfach auf einer der Veranstaltungen getestet, auf denen ich derzeit für 300 Gäste pro Tag in einer Showküche für Siemens koche. Ich sage Euch „Dieser gefüllte Champignon, ein genialer Snack für zwischendurch, geht weg wie warme Semmeln.“
Ich sage Euch noch was. Wenn das Essen schmeckt und ein Mensch glücklich ist, wenn er sich so einen gefüllten Champignons in den Mund schiebt, die Augen schließt und nur noch „Mhmmm…“ rausbekommt, dann ist es mir auch völlig egal, ob dieser Party-Snack zeitgleich bei Mel oder irgendeinem anderen Blogger online geht.
Ich freue mich dann einfach nur, dass es jemanden schmeckt und man denjenigen für eine kleine Sekunde von all seinen Sorgen und Gedanken befreien konnte und ihm einen geschmacklichen Glücksmoment schenken konnte.
Ich bin am Ende dieses Artikels auch davon überzeugt, dass es bei Kochhelden.TV wieder einfacher werden muss, Dinge nachzukochen und auf die einfache Art und Weise guten Geschmack zu erzeugen und das unter dem Schutzschirm der gesunden Ernährung. Ich versuche es zumindest ;-)
Ich verspreche Euch auch, dass es in Zukunft mehr Gerichte geben wird. Ich habe da bißchen was in meinem Leben geändert. Aber das erzähle ich Euch nächste Woche.
Worüber ich mich aber noch mehr freuen würde, ist, wenn Ihr dieses Essen nachkocht, als Partysnack, als Vorspeise oder einfach nur als Teil eines Flying Buffets und mir schreibt, wie es Euch geschmeckt hat.
Habt Ihr denn noch andere Gerichte, die mal so schnell als Snack oder als vollwertige Mahlzeit zubereiten kann und man nicht viele Lebensmittel braucht?
Zutaten:
- 10 große Champignons
- 1 EL Zitronensaft
- 1 TL Butter für die Form (Glasform)
Füllung:
- 1 Zwiebel
- 1 Knoblauchzehe
- 10g Butter
- 1 EL Petersilie, gehackt
- 2 EL saure Sahne oder Schmand
- Pfeffer
- 100g Parmesan
Zubereitung:
- Pilze putzen und Stiele herausdrehen
- Köpfe mit Zitronensaft bestreichen
- Zwiebeln, Knoblauch und Champignonstile fein würfeln und mit Butter 3 Min. andünsten. Für Fleischliebhaber kann man noch 50g rohen Schinken (gewürfelt) in einer separate Pfanne eine zweite Variante kochen
- Käse, Petersilie und saure Sahne hinzufügen und mit Pfeffer abschmecken
- Käsemasse in Pilze füllen und in die gefettete Auflaufform geben
- Bei 180° Celcius ca. 25 min Ober-Unterhitze backen
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