Gut Ding braucht Weile.
Es gibt wohl keinen Satz, mit dem man diesen Blogpost passender beschreiben könnte.
Gut Ding braucht Weile und ganz gute Dinge brauchen manchmal auch ein Jahr.
Heute ist das 1-Jährige Jubiläum unserer Blogger-Reise zu den Wilden Blaubeeren nach Kanada und keine Reise hat mein Leben so verändert, wie diese.
Ich habe mir auch noch nie so lange Zeit für einen Blogpost gelassen, wie hier. Vielleicht hängt es damit zusammen, weil ein Blogpost eine Kooperation abschließt und ich diesen Abschluss nicht wirklich möchte und vor mir herschiebe. Ich mache ungern Haken an Dinge, die ich mag.
From NY to Canada
Ich komme aus New York und befinde mich im Landeanflug auf den Halifax Stanfield International Flughafen in Kanada. Eine Woche im Big Apple haben Ihre Spuren hinterlassen. Ich bin vollgestopft mit Eindrücken aus dieser wahnsinnig geschäftigen Stadt: Lärm, Wolkenkratzer, Hitze und Menschen, die von einer Straßenseite zur anderen hetzen – absolut faszinierend, aber eben auch Großstadt.
Ich lasse die Einreisefragen der kanadischen Beamten über mich ergehen, passiere den Transitbereich, die Schiebetüren gehen auf und ich betrete das Land, dass mein Leben verändern soll. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nichts von all dem, was auf mich zukommt.
Solltest Du auch planen, nach Kanada zu fliegen, habe ich hier die Seite, rund um nützliches Wissen zum Visum für Kanada.
Nova Scotia – Wo die wilden Blaubeeren wachsen
Wenige Stunden später spaziere ich planlos durch ein Maisfeld und suche den Weg zurück zum „Harvest 4 Hunger NS Big Sunday Picnic“, welches bei Captain Cob’s Corn Maze and Fun Farm in Masstown stattfindet.
Meine reizenden Reisebegleitungen Mel (Gourmet Guerilla), Mirja (Kuechenchaotin), Ricarda (23qmstil), Nicole (luziapimpinella) und Nicole (livelifedeeplynow) haben uns längst den Namen #blueberrybloggers gegeben und schieben sich leckeres Blaubeereis, Wild Blueberry Shortcakes, frisch gepflückte und gegrillte Maiskolben sowie andere regionale Leckereien in Ihre Bloggerkörperchen.
Bevor wir zum Restaurant The Inn on the Lake zum gemeinsamen Abendessen aufbrechen, schaue ich mir genauer an, an welchen Zipfel der Welt es mich verschlagen hat.
Relativ schnell wird mir aber beim Anblick der Landschaft hier in Kanada klar, dass ich im genauen Gegenteil von NY gelandet bin: ein traumhaftes Stück Erde liegt mit seinen endlosen Wäldern und ruhigen Seen vor mir.
Es herrscht Ruhe, jeder kennt jeden und Zeit hat hier eine andere Bedeutung, als wenige Kilometer entfernt im Big Apple.
Nova Scotia ist der lateinische Name für Neuschottland. Hier sieht es wirklich aus, wie in Schottland. Ein Traum sage ich Euch. Nova Scotia ist eine der drei Seeprovinzen Kanadas. Sie liegt an der Atlantikküste und besteht zum größten Teil aus der gleichnamigen Halbinsel. Die Hauptstadt ist Halifax – aber dazu später mehr.
Nova Scotia ist flächenmäßig die zweit kleinste Provinz Kanadas und wie klein dieser Fleck Erde ist, merkt man, wenn man sich verinnerlicht, dass kein Punkt in Nova Scotia mehr als 56 km vom Meer entfernt liegt.
Wald, Holz, Wald, See, Wald, Holz, See, Wald. So kann man Nova Scotia beschreiben, wenn man mit einem der Pickups auf den endlosen Highways fährt. Demzufolge leben viele Menschen in Nova Scotia von der Holzwirtschaft sowie vom Acker- und Obstbau. In den kleinen Orten an der Küste stellt neben dem Fischfang der Tourismus für viele Einwohner den Haupterwerb dar. Vergessen wir aber bitte nicht, weshalb wir hier sind: Die Wilden Blaubeeren!!! Diese kleinen schmackhaften Beeren tragen nicht zum Einkommen der Bevölkerung, sondern auch zur Bekanntheit der Region bei.
Wilde Blaubeeren aus Kanada findet Ihr übrigens in der Tiefkühlabteilung in Eurem Supermarkt und wie sie dahin kommen, das habe ich mir genau angeschaut und sogar jede Erntetechnik von Handpflückung bis zu maschineller Arbeit selbst ausprobiert.
Wie wachsen die leckeren Blaubeeren?
Das ist gar nicht so einfach. Im Gegensatz zu ihren kultivierten Zuchtblaubeer-Kollegen, wachsen die wilden Blaubeerchen nicht überall. Die blauen Dinger haben ihren eigenen Kopf – Machen ihr eigenes Ding. Sie wachsen nur dort, wo sie Bock haben zu wachsen. Das bringt nüschd, wenn man eine Pflanze ausbuddelt und 10 Meter weiter schleppt und dort wieder in Mutter Erde stöpselt. Das kannst Du voll knicken – Blaubeeren sind da echt etwas zickig.
Ein Blaubeerfarmer wie kann da nur die äußerlichen Rahmenbedingungen schaffen viele Jahre ein Feld so vorbereiten, dass es nach vielen Jahren der Arbeit irgendwann lukrativ ist. Schauen wir uns mal ein Jahr im Leben einer Blaubeerpflanze an:
Winter
Kanada – Winter. Dieser zwei Worte lassen mich schon frieren. Hier ist es besonders kalt und die Temperaturen können in Verbindung mit einem schnuckligen Wind schon mal auf -35°C rutschen. Da braucht die Blaubeere einen dicken Pulli. Der dicke Pulli ist die Schneedecke, die den oberirdischen Trieb der Pflanze schützt.
Frühling
Im Frühjahr geht es ab. Fünf bis sechs Blüten sprießen aus dem Blaubeerpflänzchen, die aber schon nach wenigen Tagen wieder verblüht sind. Ihr merkt: Wir müssen Gas geben mit der Bestäubung. Hier überlässt man nichts dem Zufall und karrt Bienen aus den anderen Landesteilen heran und stellt Bienestöcke auf. Die Bienen produzieren wie bekloppt Honig, den dann die Imker, die wir auch besuchten verarbeiten. Aber auch Schwarzbären sind an dem Honig interessiert und so kommt es öfters mal vor, dass Meister Petz aus dem Wald stiefelt und “Hello” sagt.
Sommer
Im Juli und August ist Erntezeit und da geht es richtig zur Sache. Langschläfer haben hier verloren. Noch vor Sonnenaufgang beginnt auf den Feldern die Arbeit. Am späten Vormittag ist Schluss, da es für die Beeren zu warm wird.
Genau zur Erntezeit stiefel ich über die Felder und will die Erntetechniken selbst ausprobieren und sehen, wie anstrengend die Arbeit auf dem Feld tatsächlich ist. Vom Handrechen bis hin zur Erntemaschine von der Größe eines Traktors ist alles im Einsatz. DIe Beeren hängen nicht an hochgewachsenen Büschen, wie man das kennt. Hier redet man von Low-Bush. Die Früchte werden beim Erntevorgang von den Sträuchern gekämmt. Je nach Größe des Feldes, dauert es circa 3 Wochen bis es abgeerntet ist.
Während wir Blueberryblogger in Kanada unser Unwesen auf den Feldern trieben, klagten die Blaubeerfarmer über massive Umsatzeinbrüche, weil wir wie eine Heuschreckenplage alle Blaubeeren weggefuttert haben. Selbst schuld – was laden sie uns gefräßige Meute auch ein.
Herbst
Sind die Sträucher leer gefuttert..ähh..leer geerntet, verfärben sich die Sträucher im Herbst tiefrot. Jetzt ist die Zeit gekommen, die Felder zu mähen, damit die Sträucher im nächsten Jahr kräftig austreiben. Erst im darauf folgenden Jahr entwickeln sich wieder Blüten und Früchte. Jede Fläche wird also nur alle zwei Jahre abgeerntet.
The Kilted Chef – Alain Bosse
Was macht man mit den ganzen Blaubeeren? Essen! Whoohoo..genau mein Thema. Damit wir Inspiration bekommen und uns bestens mit den kanadischen Lebensmitteln angefangen bei Blaubeeren bis hin zu Lobstern auskennen, erwartete uns ein Kochseminar bei Alain Bosse, dem “Koch im Schottenrock” – The kilted Chef.
Alain gehört zu den bekanntesten TV-Köchen der Region und ist zugleich Botschafter der Provinz Atlantik-Kanada. Alain hat nicht nur eine fette Hütte mit Pool vorm Loch stehen, kennt sich nicht nur top mit Essen aus, sondern ist auch noch ein echt netter Typ. Ich habe ihn Wochen später angeschrieben und um ein Gericht für eine echte kanadische Brühe gebeten und sofort hatte ich eine Antwort von Ihm. Thank you Alain.
Nach einem interessanten Kochkurs mit jeder Menge Spaß, bezogen wir unser Quartier im Pictou Lodge Beach Resort und genießen einen traumhaften Ausblick über den Atlantik.
Prince Edward Island
Leicht verpennt begeben wir uns morgens auf die Fähre und fahren wir Richtung Prince Edward Island, der Nachbar-Provinz von Nova Scotia. Die Insel ist die kleinste Provinz Kanadas und befindet sich im St. Lorenz Golf, an der Ostküste von Kanada.
Eine Besonderheit auf der Insel ist die Prince Edward Destillerie. Die Firma wird von zwei Frauen, Arla Johnson und Julie Shore geführt und erzeugt den ersten und einzigen Wodka, der aus wilden Blaubeeren hergestellt wird. Da ich nicht so der Wodka-Freund bin, freue ich mich sehr über den Gin aus dieser kleinen Destillerie.
Halifax
Einen Tag später sitze ich bereits in einem Gourmet Liner und lasse mich durch Halifax, die Hauptstadt von Nova Scotia chauffieren. Ich bin mitten in die EAT HALIFAX TOUR geraten.
Bei dieser Tour sollen wir die Food Scene der Stadt entdecken. Vom Süden bis in den Norden essen und trinken wir uns durch lokale Spezialitäten. Döner mit Blaubeersauce find ich schon ziemlich abgefahren. Was Pizza und Öl mit Kanada zu tun hat, wird sich mir nicht erschliessen. Auch sonst finde ich die kulinarischen Ergüsse in Halifax eher mau und meine Laune erhellt sich erst wieder, als ich mit den Girls in einer abgefahrenen schönen Bar versumpfe, in der es nur Crafted Beer aus der Wand gezapft wird.
Neben der Bar ist der Farmer’s/Seaport Market im Hafen von Halifax ein Muss. Hier erwartet den Besucher die ganze Bandbreite an regionale Produkten. Wenn Ihr schon in Hafennähe seid, solltet Ihr wissen , dass der Hafen von Halifax der zweitgrößte natürliche Hafen und gleichzeitig der tiefste Hafen der Welt ist.
Vorzeigbar ist auch die Zitadelle „Halifax Citadel“ – Die sternförmige Zitadelle gehört zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Kanada.
Die Wilden Blaubeeren und ich
Wie vorhin bereits angedeutet, veränderte diese Reise mein Leben massiv. Diese Veränderung wird mich wohl ewig an diese Reise und diese leckeren Beeren binden.
Manchmal irrt man durchs Leben und denkt, dass es keinen Menschen geben wird, der zu einem passt – man hat immer irgendwas auszusetzen an demjenigen, den man kennen lernt – man wird enttäuscht und denkt, dass es diese eine Person wohl nicht geben wird, die zu einem passt. Je älter man wird, desto anspruchsvoller wird man ja auch. Genau in dem Moment, wo man nicht damit rechnet, steht dann genau diese Person vor einem und knabbert an einem Blaubeerenstrauch und grinst einen an.
Zack – passt wie Deckel auf Topf, wie Arsch auf Eimer – perfekt. Du stehst da und denkst nur…”WHAATTT?? Wie konnte das denn jetzt passieren und wow…wie perfekt.”
Zwei Tage nach der Rückkehr von dieser Reise zieht eben diese tolle Frau mit Sack, Pack und Ernold Schmidtchen, Ihrem Kater bei mir – 750 km entfernt von Ihrer geliebten Ostsee bei mir ein.
Heute, ein Jahr danach bin ich glücklicher den je, dass das Meedchen und Ernie hier sind und wir alle gemeinsam Wilde Blaubeerchen futtern und ich immer noch sage: “Wow..wie perfekt”
In diesem einem Jahr ist mir klar geworden, dass ich keinen Haken an diese Kooperation mit den Wilden Blaubeeren aus Kanada machen muss, da sie und diese Reise auf ewig mit mir und meinem Glück verbunden sein werden.
Ich befand mich auf Einladung der Wild Blueberry Producers Association auf Mission “Wilde Blaubeere” und danke allen für die wunderschöne Zeit. Thank you Neri, Thank you Paul, Danke Marion und Sophie und tausend Dank an meine fantastischen Reisebegleitungen Mel, Mirja, Nic, Nicoletta und Ricarda. Es war mir ein inneres Blaubeerenpflücken mit Euch.
Danke für den wunderschönen Beitrag!
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